11. Orgelnacht 2013

11. Sindorfer Orgelnacht
Freitag, 27.9.2013
St. Maria Königin

Moderation: Herbert Vietor

PROGRAMM:
20.00 Uhr: Orgel plus
- Sonate in D-Dur op. 65,5 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847): Norbert Trierweiler (Horrem) an der Mönch-Orgel
- Orgelkonzert Nr. 1 in F-Dur op. 137 für Orgel und Orchester von Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901): Norbert Trierweiler an der Mönch-Orgel, Sinfonieorchester Bergheim e.V., Ltg. Franz-Josef Stürmer

21.15 Uhr: Orgel solo mit Martin Bambauer (Organist der Konstantin-Basilika, Trier)
- Théodore Dubois (1837-1924): Grand Chœur B-Dur aus "Douze pièces pour orgue"
- Edwin H. Lemare (1865-1934): Concert Fantasia on the tune "Hanover" op. 4
- Sir Charles Hubert Parry (1848-1918): Prélude und Frolic aus "An English Suite" (Orgelfassung: Wolfgang Stockmeier)
- Martin Bambauer (*1970): Improvisierte Variationen über das Kolpinglied S´war einst ein braver Junggesell"
- Iain Farrington (*1977): Celebration
- Iain Farrington (*1977): Stride dance
- Iain Farrington (*1977): Nocturne
- Iain Farrington (*1977): Finale aus "Fiesta!"

22.30 Uhr: Orgel goes Jazz
"Conzerto for Ursula" von Friedrich Gulda (1930-2000) für Stimme, Pauken, Percussion, Drums, Jazzbass + E-Bass, Orgel und Streicher
Ursula Thies, Sopran (Trier)
Michele Savino, Orgel (Sindorf)
Sinfonieorchester Bergheim e.V.
Leitung: Franz-Josef Stürmer

In den Pausen besteht die Möglichkeit der Erfrischung durch "Speis und Trank" im Pfarrheim.

Liebe Freunde der Sindorfer Orgelnacht!

Bereits zum 11. Mal dürfen wir in Sindorf die im Jahre 1996 geweihte Mönch-Orgel mit ihrem brillantem Klang einen ganzen Abend als Konzertinstrument zu Gehör bringen. Auch die 11. Sindorfer Orgelnacht kann nur dank der Unterstützung seitens der Kolpingstadt Kerpen und der Raiffeisenbank Frechen-Hürth eG durchgeführt werden. Da wir in diesem Jahr den 200. Geburtstag von Adolf Kolping (1813 - 1865) dem großen Sohn unserer Stadt feiern, möchten auch wir in der Orgelnacht herzlich gratulieren.

Aus diesem Grunde beginnt die Orgelnacht um 20.00 Uhr mit der Sonate in D-Dur op. 65/5 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847).
Sie gehört zu dem Zyklus: 6 Sonaten Opus 65 für Orgel. Es ist ein typisches Beispiel dieser Zeit, in der die Orgelmusik aus der Liturgie in die Konzertmusik übergeht. Dreigeteilt, beginnt das Werk mit einem Choralsatz von einem heute nicht mehr identifizierbaren Kirchenlied. Es folgt ein Andante con moto mit großem symphonischen Charakter, geprägt von einem Pizzicato-Cello-Effekt. Die Sonate endet in einem Allegro maestoso mit improvisativem und phantasierendem Pathos. An der Orgel: Norbert Trierweiler.

Es folgt das Orgelkonzert Nr. 1 in F-Dur op. 137 für Orgel und Orchester von Josef Rheinberger (1839-1901), das sich zusammen mit dem Orgelkonzert Nr. 2 op. 177 als idealer Kunstgriff auszeichnet. Während viele andere Komponisten wie auch Hector Berlioz das Zusammenspiel von Orgel und Orchester nicht mochten, fand Rheinberger die richtigen und idealen Farben, um Orgel und Orchester zu ergänzen; ein weiteres Zeichen für die Entwicklung der Konzertmusik in dieser Zeit außerhalb des gottesdienstlichen Gebrauchs. Das Orgelwerk Rheinbergers zeigt die Spannung zwischen Liturgie und Kunstanspruch. Er geriet ins Kreuzfeuer cäcilianischer Kritik wegen seiner angeblichen Nähe zu Konzert und Oper.
Die Ausführenden sind: Sinfonieorchester Bergheim e. V., Orgel Norbert Trierweiler, Leitung: Franz-Josef Stürmer.

Der zweite Teil der Orgelnacht (ca. 21.15 Uhr) wird aus einem Solo-Orgelkonzert bestehen. Es enthält u. a. Improvisationen über das Kolpinglied „Vater Kolping“: „S’war einst ein braver Junggesell….“. Die Improvisationspraxis findet man neben dem Jazz heute fast nur in der Orgelmusik und hat einen sehr wichtigen Platz in der katholischen Liturgie nicht nur als Liedintonation oder Liedvorspiel für die Gemeinde, sondern auch um auf Texte, Sinngehalte und Stimmungen einzugehen mit Einmaligkeit, Spontaneität der Erfindung, aber nicht ohne Planlosigkeit. Wir lassen uns überraschen.
Außerdem werden noch großartige Werke von:
Théodore Dubois, Grand Chœur B-Dur
Edwin H. Lemare, Concert Fantasia on the tune "Hanover" op.4
Sir Charles Hubert Parry, aus "An English Suite": I Prélude; VI Frolic und
Iain Farrington, Celebration Stride dance Nocturne Finale
aufgeführt.
An der Orgel: Martin Bambauer, Organist der Konstantin-Basilika in Trier.

Der letzte Teil der Orgelnacht beginnt gegen 22.30 Uhr mit dem „Concerto for Ursula“ vom berühmten Pianisten Friedrich Gulda komponiert. Das Konzert entstand im Salzburgischen in der Weihnachtszeit 1981 und wurde der Sängerin Ursula Anders gewidmet. Das Werk besteht aus drei Sätzen. Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung. Diese und der nachfolgende lebhafte Teil sind miteinander verbunden. Der 2. Satz heißt: „Der kleine Marsch und die Vision“. 3. Satz: „Die phantasieartige, begleitete Kadenz und das Husch-Husch-Aber-Oho-Finale“. Die Orchesterbesetzung ist speziell und außergewöhnlich: Solostimme, Percussion, Drums, E-Bass, Streicher und Orgel. Der musikalische Charakter ist eine Mischung zwischen moderner und klassischer Kantabilität und Improvisation. Die Solostimme wird mal brillant-opernhaft und zugleich durch stilisiertes Jodeln behandelt. Genauso wird das Orchester vom Wiener Klassikstil bis Pop oder Jazz mit Improvisationsteilen alternieren. Ist es Chaos? Für uns doch ein richtiges Fest!
Ausführende: Sinfonieorchester Bergheim e. V., Orgel Michele Savino, Sopran Ursula Thies, Leitung Franz-Josef Stürmer.
Der Abend wird moderiert von Herbert Vietor.

Das Pfarrheim ist ab 19.00 Uhr für die Orgelnachtbesucher geöffnet. Hier möchten wir Ihnen das Leben von Adolf Kolping mit einer kleinen Ausstellung näher bringen. In der bewährten Qualität werden von den Frauen Gabi Schäfer und Margarete Nitsch mit Team einfache Speisen und Getränke ganz im Sinne von Adolf Kolping angeboten.

Presse-Echo

Orgelnacht feiert den Gesellenvater

Die elfte Sindorfer Orgelnacht seit der Erbauung der Mönch-Orgel im Jahr 1996 fiel zusammen mit dem 200. Geburtstag des Gesellenvaters Adolph Kolping, den es in dessen Geburtsstadt Kerpen in diesem Jahr besonders zu feiern gilt.

[Dietmar Fratz] Mit einer überschaubar aufregenden Orgelsonate von Mendelssohn Bartholdy begann der gut vierstündige Konzertmarathon mit einem Werk aus der Zeit Kolpings, als die Orgel sich aus dem liturgische Korsett in Richtung Konzertinstrument zu emanzipieren begann. Norbert Trierweiler, in der Vakanz der Organistenstelle Zwischen Gudrun Bonnemann und ihrem Nachfolger Michele Savino musikalischer Leiter der Orgelnacht in St. Maria Königin, schonte die schillernden Klangfarben für spätere Schwerstarbeit. Mit dennoch abwechslungsreichen Grundstimmen, manchmal etwas dick in der Tiefe, wurde das Werk im munteren zweiten und kräftigen dritten Satz zunehmend markant.

Mit dem Sinfonieorchester Bergheim erklang das Orgelkonzert Nr. 1 von Rheinberger, ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Im Dialog langten besonders die Hörner, aber auch der Streicherapparat ordentlich hin. Die Orgel blitze silbrig durch den dichten Orchestervorhang. Lieblich säuselnd, idyllisch schwärmend, majestätisch hochfahrend: Das Werk hat viel zu bieten, und die Musiker behielten dies nicht für sich.

Nach einer ausgiebigen Vesperpause freuten sich die Zuhörer in der zwar nicht proppenvollen, aber gut besuchten Kirche gestärkt auf den zweiten musikalische Gang: Der Trierer Organist Martin Bambauer improvisierte über das Kolpinglied „S’war einst ein braver Junggesell“. Quer durch Stile, Rhythmen und die klangschönen Register stellte der Organist mit seiner Variationenreihe Instrument, Werk und seine bis in die hochgeschwindigkeitstauglichen Fußspitzen ausgefeilte Spielkunst vor.

Erinnerung an Loriots Jodeldiplom

Ebenso imposant gelang eine englische Konzertvariation über ein Anthem, das in einer Händel-Bearbeitung hierzulande unter dem Text „Wenn Christus, der Herr, zum Menschen sich neigt“ bekannt ist. Hoch ragten die Choralpfeiler auf, zart schwebten die Zwischenmotive. Die Sensation der Orgelnacht war jedoch das abschließende „Concerto for Ursula“ von Friedrich Gulda. In der letzten Stunde vor Mitternacht wurden die Publikumsreihen etwas lichter. Verpasst hatten die weniger Ausdauernden ein spannendes Werk. Das Bergheimer Orchester bewies wie in seiner ambitionierten Reihe „Klassik-Kontraste“ wiederholt, dass es sich in jedem musikalischen Seitenpfad neugierig auf Spurensuche begibt. Neben den Streichern standen zwei Schlagwerker mit allem Schnickschnack bis zum scheppernden Blech, ein laut Komponistenforderung „jazzerfahrener Kontrabassist“, ein E-Bass und die auf Vokalisen sinnfrei kolorierende Sopranistin Ursula Thies. Überzuckert wurde der Sound von der dezenten Orgel, die jetzt der frisch verdingte Organist Savino präzise bediente.

„Hinweise über das Werk sucht man bei Wikipedia und Google vergebens“, bedauerte Moderator Herbert Vietor. Er hielt das Publikum mit – manchmal übertrieben weit hergeholten – geistreichen Hinweisen auf Werke und Künstler bei der Stange.

Der 2000 verstorbene Komponist und Pianist Gulda, vom Magazin Spiegel einst als „Jekyll and Hyde der Musikgeschichte“ apostrophiert, versuchte im Grenzgang zwischen E- und U-Musik die Moderne zu umschiffen, ohne unmodern sein zu wollen. Sein vielschichtiges, frei interpretierbares Werk, das am Anfang an Loriots Jodeldiplom erinnert und am Schluss hochspannende Gewitter entlädt, lebte von der orchestralen Dynamik und vom gekonnten Vortrag der Trierer Sopranistin, die im hochanspruchsvollen Part zwischen Persiflage und Drama nie die Balance verlor. Das Publikum erhob sich zum Applaus respektvoll von den nach vier Stunden doch etwas unbequem gewordenen Bänken.
[erschienen in: Rhein-Erft-Rundschau vom 29.9.2013]