9. Orgelnacht 2008

"Schmankerln aus Österreich"


9. Sindorfer Orgelnacht : "Musikalische & kulinarische Schmankerln aus Österreich"
Freitag, 22.8.2008
St. Maria Königin


Programm:
ab 19 Uhr: Österreichische Spezialitätenküche im Pfarrheim
20.00 Uhr: Orgel pur (mit Werken von Joseph Haydn, Franz Schubert, Anton Heiller, Christoph Hamm,
Johann Strauss)
21.00 Uhr: Orgel plus (… mit vier Händen, Gesang und weiteren Überraschungen mit Werken von Georg Muffat, Rudolf Bibl, Joseph Haydn und W.A.P. Mozart)
22.15 Uhr: Orgel plus Chor und Orchester ("Der zufriedengestellte Autobus". Kantate LWV 20815 für Soli, Chor und Orchester von P.P. Bach

Mitwirkende:
Christoph Hamm, Norbert Trierweiler (Orgel)
Annabelle Heinen, Sopran
Christoph Scheeben, Tenor
Benjamin Heinen, Bass
Sinfonieorchester Bergheim e.V.
Kantorei Maria Königin
Leitung: Gudrun Bonnemann & Franz-Josef Stürmer

Moderation: Dieter Schiffer (WDR)
Künstlerische Leitung: Gudrun Bonnemann

Veranstaltergemeinschaft: Katholische Pfarrgemeinde St.Maria Königin Sindorf, Stadt Kerpen (Kulturamt), Volkshochschule Bergheim, Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln.

Presse-Echo

Musikalische Schelmenstreiche
Orgelnacht mit musikalischen und kulinarischen Schmankerln aus Österreich

[Dietmar Fratz] Dass die "Sindorfer Orgelnacht", die in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet, nicht nur eine Aneinanderreihung von Orgelkonzerten ist, hat sich herumgesprochen. "Österreich" stand in diesem Jahr als Thema über dem langen Abend. Neben Musik bis kurz vor Mitternacht in der Pfarrkirche St. Maria Königin konnte sich das sehr zahlreich erschienene Publikum (die Kirche war voll) im benachbarten Pfarrheim an Gaumenfreuden aus der touristisch beliebten Alpenrepublik laben. Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn und Sachertorte zu Radler, Almdudler, Grünem Veltliner und Zipfer Bier: Fleißige Geister in Küche und Keller holten ein Stück Urlaub nach Sindorf.
Auch die Musik kam aus Österreich. Die erste Stunde gehörte der klangschönen Mönch-Orgel allein, und da die Bänke zur Orgel hin umgedreht waren, genoss so mancher in Ruhe den erhebenden Anblick des Instruments, das er sonst nur in seinem Rücken hört.
Der Bonner Organist Christoph Hamm begann mit Haydns Flötenuhr-Stücken, die das Signal für die Orgelnacht auf "leicht und heiter" stellten. Seinen eigenen, genießerisch registrierten Bearbeitungen von Mozart, Schubert und Bruckner folgte eine Toccata alla Rumba von Peter Planyavsky, dem Organisten des Wiener Stephansdoms, dessen augenzwinkernde Kompositionen den musikalischen Reigen durchzogen.
Norbert Trierweiler, der Kirchenmusiker aus dem benachbarten Horrem, gestaltete die zweiten Stunde unter anderem mit Bruckner und Haydn, von dem ein Satz aus der 7. Sinfonie zusammen mit der Sindorfer Kantorin Gudrun Bonnemann vierhändig erklang. Von Planyavsky erklangen als gekonnte Mozart-Persiflage vier "Stücke für Trompetenuhr". Das auf ein drittes Manual ausgelagerte Trompetenwerk der Orgel kam hier zu voller Entfaltung, ebenso wie die luxuriösen drei Tiefbass-Register der Orgel. Mit Arno Hedtfeld (Tuba) kam eine rare Klangmelange zu Ohren aus urig tiefem, dennoch beweglichem Blech zu spitzigen Orgeltönen.

Das unterhaltsame Highlight war Planyavskys Kantate "Der zufriedengestellte Autobus". Moderator Dieter Schiffer (WDR), der gut gelaunt durch den Abend führte, flocht das Werk humorvoll in die Musikgeschichte ein. Als "sehr spätbarockes Werk" erinnert das Werk schon durch die Opuszahl LWV (Lach Werke Verzeichnis) 0815 an Bach. Die Kantorei Maria Königin und das Sinfonieorchester Bergheim (Einstudierung Franz-Josef Stürmer) ließen unter dem umsichtigen Dirigat Bonnemanns Ouvertüre, Choräle und Zwischenmusiken hören, die auch den Oratorien Bachs zur Ehre gereicht hätten. Freilich waren die Texte alles andere als religiös: Ein Autobus voller Touristen fährt sich in der Wiener Fußgängerzone fest und ruft Polizei und Umweltschützer auf den Plan. Das Ende bleibt offen, "da die Handschrift Bachs hier abbricht" (Schiffer).
Herzhafte Lacher im Kirchenraum
"Polizist" Benjamin Heinen legte seine Partie mit piefigem Obrigkeitsgestus und herrlicher Verzweiflung an, allerdings in NRW-Uniform, was hoffentlich keine Spannungen nach sich zieht. Sein tragender Bass war von eben soviel schauspielerischem Talent begleitet wie der Sopranpart seiner Schwester, der "Greenpeace-Aktivistin" Annabelle Heinen, die mit abgasfreiem Kickboard daherrollte.
Den Evangelisten, Pardon: Erzähler, gab der köstliche Christoph Scheeben, dessen stoffelige Mimik ein ums andere Mal für herzhafte Lacher sorgte. Dazwischen fegten Autobusgehupe und nervige Martinshörner durch die Bläserreihen des Orchesters, und auch die Streicher gingen keinem musikalischen Schelmenstreich aus dem Weg. Selbst bei einer nicht ganz perfekt getimten Rezitativ-Kadenz blieben Zweifel, ob nicht auch dies ein kalkulierter Streich des Komponisten war.
[erschienen in: Kölnische Rundschau vom 27.8.2008]
Ein wild gewordener Autobus

[Frank-Uwe Orbons] Wenn in der Kirche St. Maria Königin die Kirchenbänke umgedreht werden, dann kann man davon ausgehen, dass ein großes musikalisches Ereignis bevorsteht. Bei der Orgelnacht zeigte sich die Königin der Instrumente auch von ihrer humoristischen Seite.
Die imposante Mönch-Orgel ist in dem Gotteshaus dem Altar entgegengesetzt positioniert und wird durch keine Orgelempore verdeckt. So kommen die Zuhörer problemlos in den Genuss, die Spieler nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Dem Organisten bei der Arbeit zuzusehen ist im Normalfall wenig attraktiv, kehrt er doch dem Publikum den Rücken zu. Dennoch hatte die neunte Sindorfer Orgelnacht am Freitag auch optisch durchaus etwas zu bieten. Wann kann man schon einmal die katholischen Kirchenmusiker von Horrem und Sindorf gemeinsam beim vierhändigen Spiel belauschen, noch dazu bei einer Spezialfassung der mittleren Tageszeitensinfonie Joseph Haydns, die der Horremer Organist Norbert Trierweiler für sich und die Sindorfer Hausherrin Gudrun Bonnemann arrangiert hatte. Oder wenn die Orgel mit einer Tuba (gespielt von Arno Hetfeld) ein spannendes Stelldichein hat.
Fünf Stunden konnte man in der ausverkauften Kirche Musik für Orgel und diverse andere Instrumente, Ensembles und Chöre verfolgen, die unter dem Motto "Musikalisches und Kulinarisches aus Österreich" summiert war. Damit die Zeit nicht zu lange wurde, gab es in bewährter Weise eine rührige Moderation durch Dieter Schiffer, den Chefsprecher des WDR, und Pausenverpflegung, die ganz auf das "Gastgeberland" ausgerichtet war.

Im ersten Teil steuerte der Bonn-Poppelsdorfer Kantor Christoph Hamm Originalkompositionen und Bearbeitungen bedeutender österreichischer Komponisten bei, unter die sich mit Peter Planyavsky ein Vertreter gesellte, der am Abend noch mehrmals für Furore sorgen sollte. Denn auch Norbert Trierweiler führte im zweiten Programmblock neben organistischen Schwergewichten wie Rudolf Bibl und Georg Muffat eine kleine Preziose von Planyavsky ("Vier Stücke für die Trompetenuhr") auf, der sich hier unter dem Pseudonym Plagyavsky Mozart versteckte. Planyavsky, langjähriger Organist des Wiener Stephansdoms und Professor der Wiener Musikhochschule, spielt in seinen humorigen Stücken mit einer furiosen Mischung aus Stilzitat und Originalverbrämung, die nicht nur für Experten zu erkennen ist.

Daher wurde gerade der abschließende dritte Programmblock zu einem musikalischen Erfolg. Gemeinsam musizierte die Kantorei Maria Königin mit dem von Franz Josef Stürmer einstudierten Sinfonieorchester Bergheim unter der Leitung von Gudrun Bonnemann Planyavskys Bach-Kantaten-Parodie "Der zufriedengestellte Autobus" des "Komponisten" P. P. Bach. Eine absurde Handlung - ein wild gewordener Autobus voller Touristen gerät in die Wiener Innenstadt - wird hier trefflich dargestellt von einer nicht minder abenteuerlichen Besetzung für einen Madrigalchor, ein Orchester, eine Grüne (Annabelle Heinen, Sopran), einen Evangelisten und Fremdenführer (Christoph Scheeben, Tenor) sowie einen Polizisten (Benjamin Heinen, Bass). Höhepunkt des ganzen Spektakels war das ganz besonders trockene Recitativo molto secco, bei dem es dem Tenor schier die Sprache verschlug.
[erschienen im Kölner Stadt-Anzeiger, 25.8.2008]