1. Orgelnacht 1997

"Haben Sie schon mal die Nacht ...

... mit einer Königin verbracht?"

1. Sindorfer Orgelnacht
Freitag, 20. Juni 1997

Programm:
19.00 Uhr: Orgel & Flöte
20.00 Uhr: Orgel & Tanz
21.00 Uhr: Orgel pur
22.00 Uhr: Orgel & Synthesizer & Chor
23.00 Uhr: Orgel & Chor

Moderation: Dieter Schiffer
Idee und Konzeption: Josef Wieland, Walter Bässler
Durchführung: Orgelbauausschuss der Pfarrgemeinde Maria Königin, Kantorei Maria Königin, Kulturamt der Stadt Kerpen, Volkshochschule Bergheim
Künstlerische Leitung: Gudrun Bonnemann

Orgel & Flöte

- Johann Sebastian Bach (1685-1750): Toccata und Fuge d-moll
- Anonymus, Italien (14. Jh): "Lamento di Tristano"
- Louis Andriessen (*1939): "Sweet"
- Antonio Vivaldi (1678-1741): Concerto C-Dur
- César Franck (1822-1890): Grand Pièce symphonique

Ausführende:
Ursula Thelen, Blockflöte
Gudrun Bonnemann, Orgel (Sindorf)
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Orgel & Tanz

- Anton Heiller (1923-1979): Tanz-Toccata, 1979
- Robert Schumann (1810-1856): Skizzen op. 58 (Nr. 1 und 2)
- Petr Eben (*1929): Biblische Tänze (I Davids Tanz vor der Bundeslade - II Tanz der Schulamit - III Hochzeit zu Kana)
- Robert Schumann (1810-1856): Skizzen op. 58 (Nr. 3 und 4)
- Jehan Alain (1911-1940): Zwei Tänze (Deux Danses à Agni Yaishta) & Litanies (1937)

Ausführende:
Lillian von Haussen, Choreographie und Tanz
Hannelore Hinderer, Orgel (Schorndorf/Württemberg)
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Orgel pur

Japanische und französische Orgelmusik

- Tadashi Yamanouchi (*1935): L’art du Shôshi pour Grand Orgue
- Louis Vierne (1870-1937): Symphonie no 3 fis-moll op. 38
- Akira Nishimura (*1953): Meditation of Vishnu (1985)

Ausführende:
Kayo Ohara, Orgel (Köln)
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Orgel & Synthesizer & Percussion

Engelsflüge. Musik über die Kirchenfenster der Erzengel-Michaels-Kirche in Michaelshoven

Ausführende: Stefan Horz (Köln) und Peter Hamburger (Friedrichsstadt), Orgel und Synthesizer
Torsten Müller, Percussion
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Orgel & Chor

- Antonìn Dvorák (1841-1904): Messe D-dur op. 86
- Louis Vierne: "Carillon de Westminster" op. 54,6 (aus "Pièces de fantaisie")

Ausführende:
Iris Kupke (Sopran), Anne-Carolyn Schlüter (Alt), Andreas Fischer (Tenor), Norbert Keßler (Bass)
Christoph Hamm, Orgel (Bonn)
Kantorei Maria Königin
Leitung: Gudrun Bonnemann
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Presse-Echo

Tänzerin in Frischhaltefolie
Provokation und Kontemplation bei der Sindorfer Orgelnacht – Marathon-Spektakel

[Nicole Ritter] Am Eingang dreht ein Leierkastenmann die Kurbel. Doch mit seinem Instrument wird er gegen den "Star" des Abends keine Chance haben. Er empfängt lediglich die Besucher zur "1. Sindorfer Orgelnacht". Im Mittelpunkt: die Mönch-Orgel der Gemeinde.
Den weitesten Weg hat Orgelbauer Peter Mönch aus Überlingen auf sich genommen. Er ist auf das Wiedersehen mit der "Königin der Instrumente" gespannt: "Es braucht immer etwas Zeit, bis eine Orgel sich zuhause fühlt", bis Gehäuse und Orgelpfeifen sich akklimatisiert haben. Und ein solches Großereignis hat noch kein "Kind" seines immerhin in der vierten Generation betriebenen Unternehmens erlebt. Der Sechs-Stunden-Marathon mit einer Mischung aus barocker Orgelphantastik und avantgardistischer Tanzperformance, Aus Sythesizer-Sakro-Pop und romantischer Orgelsinfonik kann beginnen.
Walter Bässler, der als Organisator der Konzertreihe "Sindorfer Abendmusiken" auch die Konzeption der Nacht verantwortet, atmet erleichtert auf. Dass das Musikspektakel im eher so beschaulichen Sindorf so beim Publikum einschlägt, hatte keiner zu hoffen gewagt. Doch der Mut zum Experiment, den die Kirchengemeinde zusammen mit dem Kerpener Kulturamt und der Volkshochschule Bergheim bewies, hat sich gelohnt, 25 Besucher füllen die Kirche bereits zum Auftakt, bis 1.20 Uhr harren immerhin noch 200 Besucher aus.
Dass mancher Orgel-Junkie zwischen den Darbietungen leise die Kirche verlässt, um bei einem Glas Wein den rechten Ausgleich von geistiger und körperlicher Nahrung zu suchen, ist durchaus einkalkuliert. "Du bist doch die Kunstexpertin von uns beiden. Was war das denn jetzt" – "Ausdruckstanz", klärt die angesprochene Dame ihren Begleiter über die Performance der Bremer Tänzerin Lilian von Haussen auf.
"Wir hatten ja richtig Angst um Sie, als Sie da in Frischhaltefolie verpackt auf der Mauer standen" wird diese von Besuchern angesprochen. Untermalt von den Klängen der „Tanz-Toccata“ des Österreichers Anton Heiller hatte sie kurz zuvor einen graziösen Befreiungsschlag aus transparenten Folienfesseln vollzogen.
Fühlt sich bei avantgardistischen Flötenklängen und Tanz in der Kirche nicht mancher provoziert? "Ach wo, Experimente sind in Sindorf schon immer gut gegangen". Man ist stolz auf die jungen Musiker: "Die Ursula Thelen ist doch eine von uns. Toll zu hören, wie weit di es gebracht hat", lautet das einhellige Urteil über die haarsträubend virtuosen Klangwelten, die die international konzertierende Flötistin aus dem benachbarten Heppendorf mit ihrer Interpretation von Louis Andriessens Werk "Sweet" vorstellt. Die Mischung aus Kontemplation und Provokation stimmt. Als die japanische Organistin Kayo Ohara mit Akira Nishimuras "Meditation of Vishnu" in die Welt japanischer Orgelmusik entführt, verlässt eine alte Dame die Kirche – "Bin gleich wieder da". Nicht etwa die dissonante Tonsprache stößt auf Ablehnung, die hochfrequenten Tonkonstellationen des Werkes sind zuviel für ihre elektronische Hörhilfe. Weit nach Mitternacht schließlich leuchten in der Kirche zahlreiche Wunderkerzen auf, um den Solisten und Mitgliedern der Kantorei unter der Leitung von Gudrun Bonnemann zum Gelingen von Dvoraks Orgelmesse zu gratulieren. "Ich lass die Orgel hier", schmunzelt Orgelbauer Mönch, "sie fühlt sich in Sindorf wirklich wohl". Eine Voraussetzung für die Zweitauflage der „Orgelnacht“ wäre damit ja schon erfüllt. (Kölner Stadtanzeiger vom 23.6.1997)