Chorkonzert vom 30.10.1988

Presse-Echo

Wunderbar fließend
Abendmusik in vollbesetzter Ulrichkirche fand viel Beifall
[Barbara Wöstmann] In kürzester Zeit waren alle Plätze der kleinen Ulrichkirche bis auf den letzten Schemel besetzt, denn dem Madrigalchor eilt zu recht ein ausgezeichneter Ruf voraus. Die 12 Damen und 12 Herren des Chores stellten Bachmusik – einmal nicht von Johann Sebastian – vor, die durchaus wert ist, der Vergessenheit entrissen zu werden. Auch die weniger bekannten Mitglieder der weit verzweigten Musikerfamilie Bach haben große Musik geschrieben.
Es handelt sich vorwiegend um kirchliche Gebrauchsmusik von hohem künstlerischen handwerklichen und künstlerischem Standard; die Zeitspanne reicht vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Zeit Mozarts und Haydns.
Eine besonders bemerkenswerte Erscheinung innerhalb der Familie war wohl Johann Christoph Bach (1642-1703), ein Bruder von Johann Sebastians Schweigervater Johann Michael. Die Motette „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ zeigte deutlich bis in die eigenwillige Harmonisierung , auf welchem Boden das Genie des größten Bachs gewachsen ist, der ja die Werke seiner Vorfahren genau studiert und gesammelt hat. Ganz anders dagegen die Motette „Lieber Herre Gott, wecke mich auf“ und „Fürchte Dich nicht“ vom selben Meister. Sie stehen in Kompositionstechnik und Geist noch ganz in der Tradition eines Heinrich Schütz.
Überhaupt nutzten die Musiker der Bachfamilie geschickt die Echoeffekte zweier gegenübergestellter Chöre. In Johann Bachs Trauermotette gab es sogar einen Fernchor von der Orgelbühne. Der Madrigalchor musizierte wie gewohnt bestens vorbereitet mit schlankem, durchsichtigem Chorklang.
Kantorin Gudrun Bonnemann wendet die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis auf wohltuend undogmatische Weise an, so dass die Verständlichkeit jederzeit gewahrt bleibt und alle Effekte sich natürlich in den musikalischen Fluss einordnen. Gestützt wurde der Chor durch die ausgezeichnete Continuogruppe: Reiner Prinz, Violoncello; Fritz Lüdecke, Kontrabass und Michael Jüttendonk, Orgelpositiv.
Der zweite herausragende Komponist des Abends war des großen Bachs Sohn Johann Christoph Friedrich, der sogenannte Bückeburger Bach. Unter seinen berühmten Brüdern ist er wohl zu Unrecht am wenigsten bekannt. Seine Motette „Ich liege und schlafe“, vom Chor wunderbar ruhig fließend gesungen, verbindet die solide, vom Vater erlernte Satzkunst der alten überzeugend mit der Musiksprache der neuen, klassischen Zeit.Mit virtuos jubelnden Freudekoloraturen von Johann Ludwig Bach entließen die Sänger ihre Zuhörer, deren Applaus kein Ende nehmen wollte. (Kölner Stadtanzeiger vom 03.11.1988)