Chorkonzert vom 18.10.1986

Programm

Hugo Distler (1908-1942): Auswahl aus dem Mörike-Chorliederbuch op. 19 von 1938/1939: "Vorspruch" - "Jedem das Seine" - "Lieb in den Tod" - "Die traurige Krönung" - "Kinderlied für Agnes" - "Der Gärtner" (Fassung für Frauen- und Männerchor) - "Denk' es, o Seele" - "Ein Stündlein wohl vor Tag"

Hugo Wolf (1860-1903): Lieder für Singstimme mit Klavierbegleitung aus dem Mörike-Zyklus von 1888: "Ein Stündlein wohl vor Tag" - "Nimmersatte Liebe" - "Fußreise"

Johannes Brahms (1833-1897): Liebeslieder-Walzer op. 52 von 1868/69


Ausführende:
Antonia Schmidt, Sopran
Michael Jüttendonk und Birgit Preissing, Klavier
Madrigalchor Kerpen
Leitung: Gudrun Bonnemann

Presse-Echo

Spröde Harmonie sicher gemeistert
Madrigalchor gab Hugo Distlers Mörike-Chorlieder

[Martin Winkelheide] Mit sensationellem Erfolg wurde 1939 beim Fest der Deutschen Chormusik in Graz Hugo Distlers „Mörike-Chorliederbuch“ uraufgeführt. Man feierte den Beginn einer neuen Chormusikepoche. Wie aufregend die Harmonik dieser Musik auch auf heutige Zuhörer wirkt, zeigte ein Konzert in der Realschule Kerpen. Der Madrigalchor unter der Leitung der Kantorin Gudrun Bonnemann stellte eine Auswahl von Distlers Mörike-Vertonungen in den Mittelpunkt seines Rezitals.
Obwohl das Ensemble erst im Mai letzten Jahres gegründet wurde, verfügt es über erstaunliche stimmliche Qualitäten. Mit großer Sicherheit meisterte es die oft spröden Harmonie, in die Distler die Stimmung der Texte umsetzte. Schillernde Klangfarben gewann der Chor den kleinen Stücken ab, ohne die Strenge der Chorsätze und ihre Sachlichkeit zu überdecken. Auf eindrucksvolle Weise gelang es dem Kerpener Madrigalchor, die Eigenständigkeit der Stimmführungen und die geringfügigen rhythmischen Verschiebungen innerhalb einzelner Akkorde prägnant herauszuarbeiten.
Ein origineller Einfall prägte den zweiten Teil des Abends: Da hatte der Konzertbesucher die seltene Möglichkeit, eine ganz andere Art von Textausdeutung kennen zu lernen. Fünfzig Jahre vor Distler hatte sich nämlich schon der Liedkomponist Hugo Wolf an Gedichten von Mörike versucht.
Am Flügel begleitet von Michael Jüttendonk stellte die Sopranistin Antonia Schmidt drei von diesen Leidern vor. Sie gestaltete sie sehr frei – doch konsequent am Text orientiert - als minutiöse Psychogramme.Einen mitreißenden Abschluss des Konzerts bildeten die Liebeslieder-Walzer von Johannes Brahms auf Texte des Nürnberger Gymnasiallehrers Daumers. Den Nachdichtungen volkstümlicher Lyrik zum Thema „Liebesfreud und Liebesleid“ unterlegte Brahms charmante Wiener Walzerklänge. Dem Kerpener Madrigalchor gelang eine schwungvolle Interpretation. Immer wieder ließ das Ensemble die Tradition Ungarischer Tänze und Schubertscher Ländler aufleben. Eine bestechende Leistung. (Kölner Stadtanzeiger vom 22.10.1986)
Konzert war für den Chor eine Herausforderung

[Oliver Tripp] „Liebesfreud“ und „Liebesleid“ besang der Madrigalchor Kerpen am Samstagabend in der Realschule Bedburg. Die Madrigalen, ursprünglich Liebeslieder der Renaissance, lockten so viele Zuhörer in die Realschule, dass die Helfer noch zusätzliche Stühle besorgen mussten.
Rund 100 Zuhörer erwartete eine Präsentation von moderner Chorliteratur: eine Auswahl aus dem Mörike-Chorliederbuch, für die Hugo Distler in den Jahren 1938/39 die Musik komponierte, gesungen vom kleinen Chor, der weniger als 20 Stimmen zählt. Jede einzelne der Stimmen war herauszuhören, eine Herausforderung an die Sänger dieses Chores, dessen Besetzung schon solistisch zu nennen ist
Für die Zuhörer reizvoll gestaltete sich der zweite Teil des Abends. Die Sopransolistin Antonia Schmidt bot ihnen einen direkten Vergleich zu Hugo Distlers Kompositionskunst. „Ein Stündlein wohl vor Tag“ und „Nimmersatte Liebe“ sang sie in Klavierbegleitung von Michael Jüttendonk. Die Lieder vom Spätromantiker Hugo Wolf, um 1888 komponiert, schloss sie gleich an Distlers Fassungen an. Ein Leckerbissen für alle, die sich verschiedenen Text-Interpretationen durch die Musik widmen.
Nachdichtungen von volkstümlicher Lyrik von Daumer sind Johannes Brahms Liebeslieder-Walzer unterlegt. Der gesamte Chor intonierte diese innigen Liebeslieder, denen eine muntere, der Spielart des Walzers angemessene Weise zugrunde liegt, bis hin zu einem Schuss derben Humors.Erst im letzten Jahr wurde der Madrigalchor Kerpen gegründet. Unter der Leitung von Gudrun Bonnemann trat der junge Chor nun das dritte Mal ans Licht der Öffentlichkeit. Sowohl Musikkenner als auch die Liebhaber der Liebespoesie enttäuschten die Sängerinnen und Sänger nicht, der Abend wurde für viele zu einem musikalischen Erlebnis. (Kölnische Rundschau vom 21.10.1986)